Logopädie: Wozu und in welchen Fällen?

Für ein sauberes „s“ ist diese Zunge noch etwas zu weit vorne

Wann benötigen Kinder Logopädie? Und schadet eine solche Therapie nicht dem Selbstbewusstsein des Kindes? Zum heutigen Tag der Logopädie stellen wir diese Fragen einer Logopädin.

Schon ich selbst habe als Kind die Logopädie besucht – ich habe stark gelispelt. Soweit ich mich erinnere, hat mir die Therapie in der Regel Spass gemacht. Und das Wichtigste: Sie war von Erfolg gekrönt. Ohne die damalige Therapie wäre mein heutiger Beruf als Radiojournalistin definitiv nicht möglich gewesen.

Deswegen war es für mich auch keine Frage, ob ich meine eigene Tochter in die Logopädie schicken sollte, als das Thema aufkam. Aus verschiedenen Gründen zog sich ihre Therapie über mehrere Jahre hin. Dennoch ging sie immer ausgesprochen gerne, und ihre Logopädin wurde für sie zu einer Art Vertrauensperson, einem Halt wenn sie anderweitig gerade Schwierigkeiten hatte in der Schule. Inzwischen neigt sich die Therapie dem Ende zu, und wir werden sie mit einem lachenden und einem weinenden Auge abschliessen.

Zum heutigen Tag der Logopädie habe ich der Logopädin Gisela Aebischer ein paar Fragen gestellt.

Bei welchen Problemen kommen Logopäden zum Einsatz?

Grundsätzlich stehen bei uns Probleme mit der Sprache im Zentrum. Zu uns kommen also Kinder, die bestimmte Laute nicht bilden können oder die allgemein nur schwer verständlich sprechen können. Aber auch Kinder, die Probleme haben mit dem Sprachverständnis oder mit einem auffallend kleinen Wortschatz kommen zu uns.

Wie therapieren Sie solche Probleme?

Damit Sprache gelingt, sind Fähigkeiten in den Bereichen Motorik/Bewegung sowie Wahrnehmung notwendig. Wir arbeiten in der Regel an diesen Fähigkeiten.

Hapert es an der Motorik, können Kinder bestimmte Laute nicht bilden. Dann arbeiten wir oft erst an der Grob- und später an der Feinmotorik, bevor wir uns mit der Mundmotorik beschäftigen.

Bei Wahrnehmungsproblemen hören Kinder beispielsweise den Unterschied zwischen verschiedenen Lauten nicht. Dann trainieren wir das.

Manchmal fehlt es auch am grundlegenden Verständnis dafür, wofür Sprache überhaupt nützlich ist. Wenn Kinder verstehen, dass Sprache zum Austausch dient und sie mit ihrer Hilfe ihre Bedürfnisse äussern können, hilft ihnen das oft sehr.

Wie wichtig ist es, sprachliche Probleme frühzeitig zu therapieren?

Bei starken Problemen ist das sehr wichtig. Wenn Kinder kaum zu verstehen sind oder sich sehr darüber ärgern, dass sie nicht «richtig» reden können, sollte man schon vor dem Kindergarten eine Therapie ins Auge fassen. Normalerweise sollte der Kinderarzt das bei Routineuntersuchungen bemerken.

Umgekehrt ist es aber gar nicht tragisch, wenn ein Kindergartenkind das «r» oder «sch» zu Beginn noch nicht richtig artikulieren kann. Diese Laute entwickeln sich oft recht spät.

Wie lange dauert eine Therapie in der Regel?

Das ist extrem unterschiedlich. Bei kleinen Kindern dauert sie oft nicht so lang – ich habe auch schon mal ein Kind nur gerade einen Monat lang therapiert. Umgekehrt kann es sich aber auch mal über 3 oder sogar noch mehr Jahre hinziehen. Oft sind es so 1 – 2 Jahre. Manchmal macht es auch Sinn, eine Weile zu pausieren. Wenn beispielsweise in der Schule die schriftliche Sprache hinzukommt, kann man ein Kind dann nochmal einige Zeit lang unterstützen.

Ist nicht die Gefahr da, dass ein Kind mit einer Therapie stigmatisiert wird, und allenfalls an Selbstvertrauen einbüsst?

Ich beobachte eher das Gegenteil. Wenn Kinder auch mal Schwierigkeiten überwinden und an etwas arbeiten müssen, dann ist das auch eine Lebensschule. Die Kinder erhöhen so ihre Frustrationstoleranz. Und wenn sie ihre Fortschritte sehen, haben sie Erfolgserlebnisse, was ihr Selbstbewusstsein stärkt.